Welche Fragen sind verschwunden? [1]

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[ Sun. Jan. 7. 2001 ]

Auch die Zukunft kommt nicht ohne Traditionen aus. Selbst eine mit Mlle. de Scudéry zeitreisende Mme. de Sévigné müßte sich nicht gar zu sehr wundern, wenn sie beim Netzsurfen auf ein Internetmagazin stieße, das sich unerschrocken preziös "Salon" nennt. Wo immer aber ein Salon zum Verweilen, Sinnieren und Brillieren lädt, kann eine Preisfrage nicht weit sein.

Elektronisch funktioniert sie nicht viel anders als zu Zeiten der Aufklärung und ihrer Debattierzirkel. In seinem Internetsalon (www.edge.org [4]) verführt der Verleger und Literaturagent John Brockman zum Anfang des Jahres gelehrte Koryphäen gern zu Antworten auf solche Fragen. Diesmal hat er den Ritus selbst thematisiert und fragt nach Fragen, die keiner mehr stellt. Wir drucken heute auf den folgenden Seiten, gleichzeitig mit der "New York Times", eine Auswahl der oft in Wahrheit weiterfragenden Antworten ab. An die hundert Wissenschaftler, Philosophen und Publizisten der sogenannten "Dritten Kultur" nehmen am Spiel teil, haben aber die Spielregeln nicht alle gleich verstanden. Warum eine Frage verschwindet, kann schließlich viele Gründe haben. Vielleicht ist sie beantwortet, vielleicht auch nicht zu beantworten, was freilich in der Regel den intellektuellen Spieleifer um so heftiger stimuliert, vielleicht aber war die Frage auch von Anfang an nicht fragenswert.

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